Von Dallas zu Berlin on Demand oder die transnationale Verhandlung von Medieninhalten. Eine mehrdimensionale Replikationsstudie in Deutschland und Israel
Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften
Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft
Arbeitsstelle Medienanalyse/ Forschungsmethoden
Projektbeschreibung
Als Liebes und Katz (1990) ihre Pionier-Studie zur internationalen und interkulturellen Rezeption der amerikanischen TV-Serie Dallas (1978 – 1991) durchführten, vollzog sich ein größerer Wandel im Fernsehmarkt. Die Anzahl der Sendestunden pro Tag war drastisch angestiegen, was zu einer verstärkten Verbreitung amerikanischer Fernsehprogramme in Haushalten weltweit führte. Liebes und Katz nahmen diese Entwicklung als Ausgangspunkt für ihre Arbeit. Sie untersuchten nicht nur den televisuellen Text beliebter Fernsehserien, sondern auch die unterschiedlichen Lesarten verschiedener Publikumsgruppen. Indem sie die Lesepraxis von 55 interkulturellen Fokusgruppen in Israel in ihre Dallas-Studie miteinbezogen, berücksichtigten die beiden Forscher:innen die Diversität verschiedener Zuschauer:innenposition.
Im Fokus der aktuellen Studie stehen deutsche Fernsehserien, die in Berlin spielen. Historisch betrachtet, war Berlin schon immer ein relevanter Produktionsort in Europa und förderte gleichzeitig auch das Bild Deutschlands sowie die Vorstellung von den Deutschen außerhalb der Landesgrenzen. Die vielschichtigen Bilder von Berlin sind auf diese Weise zu einer kulturellen und erinnerungspolitischen Ressource für nationale und internationale Zuschauer:innen geworden (Eichner/Mikos 2017).
Heutzutage haben Multikanal- und On-Demand-Strukturen die Produktions- und Rezeptionspraktiken verändert und neue Akteur:innen und Aspekte in den Prozess der Bedeutungsvermittlung eingeführt. Ende der 2010er Jahre erkannten internationale Streaming-Plattformen das Exportpotenzial deutscher Serien wie Deutschland 83 (2015), Berlin Station (2016), Babylon Berlin (2017), Charité (2017) und 4 Blocks (2017). Dark (2017), als erste originär deutsche Netflix-Produktion, war ein internationaler Streaming-Erfolg und fand bei den Kritiker:innen großen Anklang.
Nach weiteren Produktionen wie Dogs of Berlin (2018) und Unorthodox (2020) eröffnete Netflix 2019 Produktionsbüros in Berlin, um sich verstärkt auf originär europäische und deutsche Serieninhalte zu konzentrieren. Berlin ist somit zu einer transnationalen Projektionsfläche geworden. Während sich die Perspektive von Dallas hin zu Berlin verlagert und der Fokus von Americanness auf Germanness verschiebt, bleibt die Dekodierung fest in der Stadt Berlin verankert, die ein größeres kulturelles Gefüge repräsentiert.
30 Jahre nach der Veröffentlichung der Dallas-Studie wird eine aktualisierte Replikation untersuchen, wie verschiedene Gruppen in Israel und Deutschland die Stadt Berlin wahrnehmen und interpretieren, mit den Inhalten interagieren, Bedeutungen für sich selbst erschließen und diese untereinander aushandeln. Hierbei wird ein methodischer Ansatz gewählt, der sowohl vergleichende Textstudien als auch vergleichende Kulturforschung umfasst. Dies bedeutet, Medientexte miteinander zu vergleichen, um Einblicke in ihren Inhalt, ihre Struktur, ihr Design und ihre Rezeption zu gewinnen und die Ergebnisse in das Feld der Kommunikationswissenschaft und Soziologie einzuordnen. Das Ziel ist es, einen geisteswissenschaftlich fundierten und bewährten Ansatz für eine moderne Studie über Streaming-TV als vergleichende kommunikative Praxis im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts anzuwenden.
Das Projekt ist eine Zusammenarbeit zwischen der Freien Universität Berlin und der Hebrew University of Jerusalem.
Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.