Studentische Gremien
- Vollversammlung der Studierenden (VV)
- Fachschaftsinitiativen (FSI) und Fachschaftsräte (FSR)
- Fachschaftskoordination (FaKo)
- Studierendenparlament (StuPa)
- Allgemeiner Studierendenausschuss (AStA)
Kein FACHSCHFTRAT, nirgends !
Repräsentation vs. Basisdemokratie
Ein Positionspapier der Fachschafts-Inis PolSoz
FSI OSI, FSI Ethnologie und FSI PuK
Die Fachschaftsinitiativen des FachbereichesPolitik- und Sozialwissenschaften der FU Berlin lehnen die Konstituierung von Fachschaftsräten ab
Bei den Wahlen der Gremien der studentischen Selbstverwaltung wird alljährlich neben dem Studierendenparlament (StuPa) auch ein Fachschaftsrat (FSR) für jeden Fachbereichs (FB) neu gewählt. Der FSR soll „die besonderen Interesse der Mitglieder der Fachschaften“wahrnehmen und die Studierenden „in Fragen des Studiums, der Lehre und der Prüfung“beraten. Daneben „obliegt ihm die besondere Betreuung der Erstsemester“1. Damit sollen (z.B.) im Falle des FB Politik- und Sozialwissenschaften den siebe(!) gewählten Vertreter_innen alleAufgaben übertragen werden, die bisher die einzelnen Basisgruppen wahrnehmen.
Die Fachschaftsinitiativen betrachten den Fachschaftsrat daher unnötig Bürokratie und als ihrem Verständnis von Basisdemokratie entgegenstehend. Dieses gemeinsame Positionspapier der FSIs OSI, Ethnologie und PuKsoll grundlegenden Erwägungen der Ablehnung erläutern.
Basisdemokratie vs. parlamentarische Repräsentation
Der Fachschaftsrat ist ein Gremium, das nach dem Prinzip der parlamentarischen Repräsentation funktioniert. Die gewählten Mitglieder des FSR sollen die Interessen der gesamten Studierendenschaft am Fachbereich vertreten. Sie verfügen über ein freies Mandat, so dass die Studierenden faktisch keinen Einfluss auf die Entscheidungen des Fachschaftsrats nehmen können. Ferner existieren keine Kontrollmechanismen: Die Rechenschaftspflicht des FSR gegenüber den Studierenden erschöpft sich in bloßer Rhetorik.
Die Fachschaftsinitiativen (FSI) favorisieren ein davon abweichendes Demokratiekonzept: Wir sind der Auffassung, dass Studierende ihre Interessen am besten selbst vertreten können und sollen. Da dies nur in den seltensten Fällen individuell realisierbar ist, organisieren sich Studierende am besten in basisdemokratischen Initiativen. Als solche verstehen sich die Fachschaftinitiativen.
Im Bereich der studentischen Selbstverwaltung erscheint uns das Konzept der Repräsentation gänzlich ungeeignet, da mit dem FSR ein Gremium ohne jegliche Entscheidungsbefugnisseimplementiert wurde. Wenn sich „Interessenvertretung“ im Formulieren von Empfehlungsschreiben an Organe wie die Instituts- und Fachbereichsräte (IR & FBR) und Petitionen erschöpft, verkommt das ohnehin problematische Konzept der parlamentarischen Repräsentation vollends zur Farce.
Wir vertreten die Auffassung, dass sich Veränderungen nicht durch die Vorlagen eines Marionettengremiums realisieren lassen, sondern nur durch das Engagement möglichst vieler Studierender an den Instituten zu erreichen sind.
„Demokratie spielen“ – Die Illusion der studentischen Mitbestimmung
Der FSR erweckt den Eindruck der studentischen Mitbestimmung auf Fachbereichsebene. Nachdem schon in der akademischen Selbstverwaltung, im Instituts- und Fachbereichsrat, die studentischen Mitbestimmungsmöglichkeiten durch die professorale Mehrheit marginal sind, wurde ein weiteres Gremium geschaffen, dass der autokratischen Realität an der Uni das Deckmäntelchen demokratischer Partizipation umhängen soll. Aufgrund seiner satzungsgemäßen Befugnisse ist es dem FSR unmöglich, Einfluss auf Entscheidungen am Fachbereich zu nehmen. Im FSR dürfen ausgewählte (Parteien)Vertreter_innen Demokratie spielen und ihrem Lebenslauf nebenbei ein weiteres Amt hinzufügen. Unter Missachtung der Interessen der Studierenden des Fachbereichswird hier ein demokratietheoretisches Planspiel durchexerziert, ohne konkrete Veränderungen durchsetzen zu können. Darüber hinaus wird selbstorganisierten Studierenden die Legitimation entzogen, eigenverantwortlich aktiv zu werden. Der FSR ist ein Schlag ins Gesicht aller demokratisch empfindenden Studentinnen und Studenten.
Disziplinieren durch Institutionalisierung
Die Struktur der Fachschaftsrats wurde auf besonderen Wunsch des Präsidiums Ende der 1990er Jahre eingeführt, mit dem Ziel durch „serviceorientierte“ Fachschaftsräte die studentische Selbstverwaltung zu schwächen und die Studierendenschaft zu entpolitisieren. Studentische Aktivitäten sollen in einen verwaltungsrechtlichen Rahmen gepresst werden, welcher die Möglichkeiten für Bewegung und Widerstand massiv einschränkt. Der FSR ist also eine von oben oktroyierte Organisationsform, um die Studierendenschaft zu disziplinieren. Oder, um es mit Foucault zu sagen:
„Ein schwachsinniger Despot kann Sklaven mit eisernen Ketten zwingen; ein wahrer Politiker jedoch bindet sie viel fester durch die Kette ihrer eigenen Ideen […]. Diese Band ist umso stärker, als wir seine Zusammensetzung nicht kennen und es für unser eigenes Werk halten.“2
Wenn die studentische Selbstverwaltung mehr sein will als die „Kette der Disziplinarmacht“, muss sie die Organisationsform frei wählen können.
Der Maulkorb als Megaphon?
Mit der Organisationsform des Fachschaftsrates ist eine weitere Schwierigkeit verbunden: Der FSR verfügt über kein politisches Mandat. Das heißt, dass es dem FSR (wie auch dem AStA) untersagt ist, sich zu allgemeinpolitischen Themen zu äußern, bzw. dazu Stellung zu nehmen. So wurde beispielsweise die Geschichtsfachschaft an der Universität Münster wegen Durchführung eines Interviews mit Emil Carlebach, Widerstandskämpfer und ehemaliger Häftling der Konzentrationslager Buchenwald und Dachau, im Rahmen ihrer Reihe „Zeitzeug_innengespräche“ belangt. Das Oberverwaltungsgericht Münster stellte fest, die Auseinandersetzung mit zeitgeschichtlichen Ereignissen durch Organe der Studierendenschaft stelle sich „angesichts ihres [...] allgemein politischen Inhalts nicht als zulässige Wahrnehmung der fachlichen Belange der Studierenden [...] dar“. Das Gericht wusste auch Hinweise auf zulässige Aktivitäten zu geben:
“Interessen der Studierenden kann zum Beispiel in Anregungen zum Lehrangebot der Hochschule oder Stellungnahmen zu Studien- oder Prüfungsordnungen bestehen. Eine inhaltlich-wertende Auseinandersetzung mit Gegenständen des Studienfaches, zu welcher der einzelne Studierende im Rahmen seines Studiums natürlich berufen ist, ist jedoch von der Aufgabenzuweisung [...] nicht erfasst.“3
Deshalb erscheint uns die Anerkennung des Fachschaftsrats und die damit verbundene Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerungdurch die Zensur der herrschenden Rechtssprechung als ein Schritt in die selbstverschuldete Unmündigkeit. Nicht alle Fehlentwicklungen im Hochschulwesen habe ihre Ursachen in ihm selbst. Externe Ursachen nicht benennen zu dürfen ist nichts anderes als ein Knebel.
Anstatt die Interessen „der Studierenden“ wirkungsvoll artikulieren zu können, unterwirft sich der FSR nicht nur als Organisationsform, sondern auch als „Sprachrohr“ studentischer Interessen strukturellen Sachzwängen. Es würden nicht länger die einzelnen Fachschafts-Inis und Ihre Positionen wahrgenommen, sondern die gewählten Repräsentant_innen würden als Sprecher_innen angesehen werden.
Die Apologeten des Fachschaftsrats verwechseln den Maulkorb mit dem Megaphon.
Niemand beißt die Hand, die einen füttert…
Aus diesen Gründen lehnen die Fachschaftsinitiativen des Fachbereiches Politik- und Sozialwissenschaften den Fachschaftsrat ab. Das Gremium ist durch seine konzeptionelle Ausrichtung nicht dazu geeignet, die Interessen der Studierenden am Fachbereich in angemessener Weise zu vertreten.
Jenseits der Optimierung der eigenen Konkurrenzfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt gibt es – auch für die Verfechter_innen der repräsentativen Demokratie – keine rational nachvollziehbaren Gründe, eine scheindemokratische Institution wie den FSR zu unterstützen.
1Vgl. § 12 Abs. 2 in der Satzung der Studierendenschaft der FU Berlin
2Michel Foucault: Überwachen und Strafen, Frankfurt am Main 1994, S. 134
3OVG Münster 25 E 265/97 1 M 22/96