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30 Jahre Deutsche Einheit – Prof. Dr. Dirk Arnold zur Entwicklung des Zeitungsmarktes im Osten

Wie viele Zeitungen gab es zu DDR-Zeiten und wie viele in den Jahren nach dem Mauerfall in der Hochzeit im Osten? Wie hat sich diese Zahl daraufhin weiterentwickelt?

News vom 08.10.2020

Prof. Dr. Dirk Arnold wurde kürzlich als Medien- und Kommunikationswissenschaftler um Input und Kommentare gebeten für Beiträge, die anlässlich des 30. Jahrestages der Deutschen Einheit die Entwicklung der Medienlandschaft im Osten, insbesondere der Printmedien, beleuchten.

Zum einen entstand mit Herrn Arnolds unterstützender Expertise ein Artikel beim Deutschlandfunk zum Ehepaar Friedrich und ihrem Erwerb der Berliner Zeitung vor einem Jahr:
Ein Jahr mit Verlegerpaar Friedrich. Wie sich die „Berliner Zeitung“ entwickelt hat (DLF)

Außerdem gab Herr Arnold der Nachrichtenagentur dpa ein Interview zur Veränderung der ostdeutschen Presselandschaft:
"Alle haben uns den Vogel gezeigt" - Zeitungshype im Osten nach 1989 (Rhein-Neckar-Zeitung)

Zur Entwicklung des Zeitungsmarktes im Osten


Vor der Wende (1989) gab es in der DDR insgesamt 39 Tageszeitungen mit einer Auflage von fast 10 Mio. Exemplaren. Dabei entfiel der Großteil (6,1 Mio.) auf 16 Tageszeitungen, die von der SED herausgegeben wurden wie die großen Bezirkszeitungen. Nach der Wende kam es zu zahlreichen Neugründungen, sodass 1991 die Anzahl der Zeitungen auf 58 stieg. Jedoch sank die Gesamtauflage auf 7 Mio. Exemplare und nahm in den Jahren dann immer weiter ab. Der Zeitungsforscher Walter J. Schütz zählte 2012 in seiner letzten Stichtagssammlung nur noch 21 Zeitungen in den neuen Bundesländern (einschließlich der im ehemaligen Ost-Berlin erscheinenden Zeitungen), die zusammen nur noch eine Auflage von insgesamt 2,5 Mio. Exemplaren aufwiesen.

Zum Phänomen und den Schwierigkeiten der Zeitungsneugründungen

Nach der Wende gab als erstes die SED im Dezember 1989 ihren Monopolanspruch auf die Presse auf und trennte sich von den meisten ihrer Zeitungen. Am 1.1.1990 wurde das Einfuhrverbot für West-Presse beendet und Mitte Februar entfiel der Lizenzzwang. Überdies forcierte die Treuhandanstalt die Privatisierung der Presse.
Direkt ab 1990 folgten zahlreiche Zeitungsneugründungen. Darunter sowohl Zeitungen, die ohne finanzielle Hilfe westlicher Verlagen gegründet wurden, als auch Verlagskooperationen westlicher Verlage mit DDR-Zeitungen.
Die Neugründungen waren jedoch nicht von Dauer. Das lag vor allem an der Konkurrenz mit den 14 ehemaligen SED-Bezirkszeitungen wie z. B. der Leipziger Volkszeitung. Diese waren für die westliche Zeitungsverlagsgruppen von besonderem Interesse, da sie hohe Auflagen und große Verbreitungsgebiete aufwiesen. Da nur die großen westdeutschen Zeitungsverlage den hohen Kapital- und Investitionsbedarf der zu verkaufenden ostdeutschen Zeitungen decken konnten, kamen mehrheitlich auch nur die großen Zeitungsverlagsgruppen wie die WAZ (heute Funke), Madsack etc. zum Zuge. Diese sahen vor allem die Chance ihren Absatzmarkt zu vergrößern. Auch das größte Verlagsunternehmen der DDR, der Berliner Verlag, der die Berliner Zeitung herausgibt, wurde 1990 von einem großen Verlagshaus, nämlich Gruner+Jahr sowie dem englischen Verleger Maxwell gekauft.

Den Wettbewerb mit den großen Regionalzeitungen, also den ehemaligen SED-Bezirkszeitungen, konnten die Neugründungen nicht standhalten. Von den 103 nach der Wende in den neuen Ländern gegründeten Ausgaben lokaler Abonnementzeitungen haben bis Ende der 1990er Jahre nur acht überlebt, von denen inzwischen fast alle mit ihrem regionalen Wettbewerber zusammengelegt bzw. aufgekauft wurden.
Der Konzentrationsprozess nahm also schnell Fahrt auf und er begünstigte die auflagenstarken Regionalzeitungen der westdeutschen Verlage, die sich letztlich das ostdeutsche Verbreitungsgebiet untereinander aufteilten. So dominiert bis heute der Funke-Konzern (ehemals WAZ) den Zeitungsmarkt in Thüringen.
Die großen westdeutschen Verlage hatten insgesamt bessere ökonomische Möglichkeiten, den Auflagenrückgang zu kompensieren. Während 1989 noch 10 Mio. Exemplare abgesetzt wurde, waren es 2001 60 % weniger, nämlich nur noch 3,75 Mio. Exemplare.
Nachdem im April 1990 die Pressesubventionen beendet wurden, konnten die Zeitungen nur rentabel wirtschaften, indem sie die Zeitungsbezugspreise erhöhten. Die hohe Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland machte es vielen jedoch nicht möglich, sich noch eine Zeitung zu·leisten. Auch die Anzeigenerlöse blieben niedriger als im Westen auf Grund der wirtschaftlichen Anpassungsschwierigkeiten und des geringen Wachstums in den neuen Bundesländern. Für die massiven Auflagenrückgänge im Osten lassen sich viele weitere Gründe nennen: so die berufsbedingt steigende Mobilität und Wanderungsbewegungen in die alten Bundesländer, die zur Kündigung des Zeitungsabonnements führten.

Der Zeitungsmarkt im Osten heute

Die Tageszeitungen im Osten sind, mehr noch als im Westen, wo es auch kleinere Verlage gibt, meist im Besitz von Verlagsgruppen. Eher untypisch ist das Besitzverhältnis bei der Berliner Zeitung, die zum Berliner Verlag gehört. Nachdem die Zeitung zuvor den Verlagsgruppen Gruner+Jahr und später M. DuMont Schauberg gehörte, befand sich der Verlag zwischenzeitlich in den Händen der britischen Finanzinvestmentgruppe Mecom und gehört nun dem Unternehmer Holger Friedrich, der aus der Tech-Branche stammt.

Letztlich ist die Entwicklung gesamtdeutsch schlecht: Das Angebot an Zeitungen ist zwar noch relativ stabil, aber die Verbreitung und Nutzung der gedruckten Zeitungen und Zeitschriften gehen signifikant zurück. Sinkende Leserzahlen führen zugleich zu sinkenden Werbeeinnahmen. Das beeinflusst wesentlich die ökonomischen Bedingungen für das Handeln der Verlage, die ihre Geschäfts- bzw. Erlösmodelle transformieren müssen.

(Diese Darstellung basiert wesentlich auf Einschätzungen und Daten der Zeitungswissenschaftler Horst Röper und Walter J. Schütz.)

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