Intime Liaisons madagassischer Frauen
Dieses Forschungsprojekt untersucht die Beziehung zwischen Liebe, Sexualität und Materialität/Körperlichkeit in intimen Beziehungen, die madagassische Frauen mit ausländischen Männern im Kontext wirtschaftlich-sexueller Austauschbeziehungen in der Hafen- und Touristenstadt Diego Suarez eingehen.
Diana Mignano, Doktorandin
Betreuerin: Prof. Dr. Claudia Liebelt
Das westliche Verständnis von Prostitution basiert auf einer dichotomischen Konstruktion von Sexualität. Die Ehe stellt dabei einen Ort dar, an dem Sexualität legitimiert ist, weil hier sexuelle Beziehungen auf Emotionalität bzw. Liebe gründen. Die „illegitime“ Sexualität der Prostitution dagegen ist ausschließlich durch sozioökonomische Motivationen begründet (Rubin 2003). Diese Dichotomie der Interpretation von Prostitution liegt auch in vielen afrikanischen Gesellschaften zugrunde. Obwohl die gegenderten Personen, die an diesen Beziehungen teilnehmen, Gefühle, Ideen und Erwartungen entwickeln, wird ein breiteres Verständnis von transaktionellem Sex so per Definition ausgeschlossen. Ziel meines Dissertationsprojektes ist es daher, ein einseitig ökonomisches bzw. moralisierendes Verständnis von Prostitution und die hiermit verknüpfte dichotomische Konstruktion von „legitimer“ vs. „illegitimer“ Sexualität ethnographisch zu untersuchen und konzeptionell zu überwinden. Theoretischer Ausgangspunkt sind neuere Debatten zu Weiblichkeit, Körper und Sexualität im subsaharanischen Afrika (Hunter 2002, Cole 2010, USAAID 2020) und darüber hinaus.
Zu diesem Zweck untersucht diese Arbeit das Verhältnis von Liebe, Sexualität und Materialität/Korporalität in intimen Liaisons, die madagassische Frauen mit ausländischen Männern im Kontext von ökomisch-sexuellem Austausch in der Hafen- und Touristenstadt Diego Suarez eingehen. Die Einführung dieses Zugangs in meine ethnographische Auseinandersetzung mit ökonomisch-sexuellen Austauschbeziehungen ermöglicht die Verbindung dreier neuer sozialanthropologischer Argumentationsstränge für die Interpretation dieses Phänomens.
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Der erste Strang bezieht sich auf Studien, die Fragen nach der Rolle von Liebeskonzepten in ehelichen und außerehelichen Bindungen im afrikanischen Kontext thematisieren und dabei lokale soziale Praktiken und Verständnisse von Liebe und deren Interaktion mit globalisierten Formaten der romantischen Liebe beleuchten (Smith 2001, Cole & Linn 2009, Hunter 2010).
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Der zweite Strang stellt die agency der weiblichen Sexualität und wie diese als ermächtigende Ressource von Frauen verwendet wird, in den Mittelpunkt der Analyse (Tamale 2011, Spronk 2011, Hoffman & Moreno 2016).
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Der dritte Strang befasst sich mit der Frage, wie Materialität/Korporalität sich gegenseitig bedingen und wie Korporalität zur Produktion, Reproduktion und Transformation der materiellen Welt der gegenderten Personen beiträgt (Craig 2006, Meiu 2015, Tate 2016, Vartabedian 2016).
Die These, die ich dabei vertreten möchte, ist, dass nicht Verdienst- oder Konsummöglichkeiten den transaktionalen Sex bzw. die Entstehung und Entwicklung von intimen Liaisons in Diego Suarez erklären, sondern dass diese auf der kulturellen und gesellschaftlichen Interaktion zwischen Liebe, Sexualität und Materialität/Korporalität beruht. Die Dissertation beruht auf zehn Monaten ethnographischer Feldforschung in Diego Suarez Madagaskar mit dichter teilnehmender Beobachtung, informellen Gesprächen, ethnographischen Interviews, biografischen Methoden und Medienrecherche.
Meine Hypothese ist, dass es nicht die Möglichkeiten des Profits oder des Konsums sind, die den Transaktionssex oder die Entstehung und Entwicklung intimer Beziehungen in Diego Suarez erklären, sondern dass sie vielmehr auf der kulturellen und sozialen Interaktion zwischen Liebe, Sexualität und Materialität/Körperlichkeit beruhen. Die Dissertation basiert auf einer zehnmonatigen ethnografischen Feldforschung in Diego Suarez, Madagaskar, bei der dichten teilnehmenden Beobachtung, informelle Gespräche, ethnografische Interviews, biografische Methoden und Medienrecherche zum Einsatz kamen.