Europäisches Verfassungsrecht
(15060)
Typ | Vorlesung |
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Raum | Ihnestraße 21 A |
Beginn | 15.10.2007 |
Zeit | Mo. 12-14 Uhr |
Die Vorlesung führt in Grundfragen des europäischen Verfassungsrechts ein. Dabei soll um die Erläuterung von zentralen Begriffen des Konstitutionalisierungsprozesses für ein "Gebilde" gehen, das mit herkömmlichen Kategorien nur schwer zu erfassen ist. Nach einer Übersicht zu den unterschiedlichen Angeboten für die Qualifizierung der Europäischen Union als rechtlich verfasste Gemeinschaft sollen die Grundprinzipien europäischen Rechts vorgestellt werden. Als Leitfragen europäischen Verfassungsrechts werden die Bewältigung der föderalen Dimension, der Umgang mit Werten und die Suche nach den Legitimationsgrundlagen der europäischen "Integration" behandelt. Dabei steht die Frage im Vordergrund, inwieweit es bisher gelungen ist, die "Herrschaft des Rechts" demokratisch auszugestalten. Abschließend werden Perspektiven europäischen Verfassungsdenkens aufgezeigt, wobei auf Chancen und Risiken einer europäischen Verfassung eingegangen wird.
Einführende Literatur
- Vorlesungsbegleitende Folien werden im Netz bereitgestellt.
- Ulrich Haltern, Europarecht, 2005
- Armin v. Bogdandy (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2003.
Den Hintergrund der Vorlesung bildet das Paradox, das sich erschließt, wer den Blick auf das europäische Verfassungsrecht lenkt. Zum einen geht es um die Erläuterung grundlegender Begriffe, die in einem bestimmten historischen Kontext entstanden sind und mit denen wir gelernt haben, staatliche Gemeinwesen zu beschreiben und "in Ordnung" zu bringen. So gesehen ist Verfassungsrecht staatsbezogenes Recht, das Recht des Verfassungsstaates eine zivilisatorische Errungenschaft der Moderne. Die Europäische Union ist aber kein Staat und soll es nach dem Willen der Unionsbürger auch nicht werden. So fragt sich, ob staatstheoretische Leitbegriffe wie Verfassung, Demokratie und Legitimität für die Union überhaupt angemessen sind. Zu vermeiden ist aber ein negativer Etatismus. Wir können die staatsbezogenen Begriffe nicht verabschieden und müssen sie auf ein nicht-staatliches Gemeinwesen beziehen. Ein Abschied von den staatsbezogenen Ordnungskategorien kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es an Ersatzbegriffen weitgehend fehlt. Den Bedarf an Modifizierung zu bestimmen, fällt jedoch schwer, weil es an einer europawissenschaftlichen Theorie für die europäische Grundordnung fehlt. Leitgedanke der Vorlesung ist die Erosion der dichotomischen Gegenüberstellung von Staat und Nicht-Staat oder von Verfassung und Nicht-Verfassung. Die Ordnungsebenen sind vielmehr so miteinander verschränkt, dass eine idealisierende Überhöhung des Staates unter der Idee einer Einheit von Politik und Recht im Staat und seiner Verfassung anachronistische Züge erhält. Weder lässt sich die nationale Verfassung als "Vollverfassung" verstehen, hinter der jede supranationale Verfassungsordnung irregulär oder defizitär erscheinen muss. Noch sind die Mitgliedstaaten als "Herren der Verträge" zu verstehen, die sich nach völkerrechtlichem Vorbild als souveräne Einheiten zwischen europäische Hoheitsgewalt und Unionsbürger schieben könnten. Wer die Verfassung bewahren will, muss sie europäisch denken, also ein Gemeinwesen annehmen, dass nicht im Sinne eines scharfen "Entweder-oder" konstruiert ist, sondern nationale und supranationale Elemente in wechselseitiger Komplementarität verfasst. So gesehen, gibt es keine europäische Verfassung jenseits der nationalen Verfassung wie es umgekehrt keine nationale Verfassung gibt, die sich gegenüber europäischem Recht verschließen könnte.