Das Institut unter Fritz Eberhard
Politische Arbeit für den Sozialismus
Fritz Eberhard (1896-1982) schrieb als Journalist für die Frankfurter Zeitung, bewegte sich in den sozialistischen Kreisen seiner Hochschullehrer und trat der SPD sowie dem Internationalen Jugendbund (IJB) bei, aus dem 1925 der Internationale Sozialistische Kampfbund (ISK) hervorging. Eberhard wurde Redakteur des ISK-Blatts Der Funke und schrieb gegen die Nationalsozialisten. Sein Geld verdiente er als städtischer Angestellter, Kaufmann und Lehrer. Nach 1933 ging er in den Untergrund unter dem Decknamen Fritz Eberhard. 1937 emigrierte er. Im Londoner Exil arbeitete er für das deutsche Programm der BBC.
Aufbau von Politik, Rundfunk und Publizistik
Im Mai 1945 nach Deutschland zurückgekehrt, baute Eberhard die Stuttgarter SPD mit auf. Aufbauarbeit leistete er auch im neu entstehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk. 1949 wurde er erster Intendant des Süddeutschen Rundfunks. Als dieser Posten in einer politisierten Intendantenwahl verloren war, folgte der Seiteneinstieg in die Publizistikwissenschaft. 1961 wurde der bereits 65-Jährige zum Honorarprofessor ernannt und mit der Leitung des Berliner Instituts für Publizistik beauftragt. Zentrale Aufbauarbeit hier: die ordentliche Besetzung des Lehrstuhls. Auch nachdem diese Aufgabe 1968 gelöst war, blieb der promovierte Nationalökonom am Institut präsent.
Ein Interim gegen Widerstände
Nach zwei Jahren Berufungskrise war Fritz Eberhard in den Blick der Kommission geraten, die sich bis dahin erfolglos mit der Nachfolge Dovifat beschäftigt hatte und nun nicht mehr als eine Übergangslösung schaffen wollte. Über die Qualität der wissenschaftlichen Leistungen Eberhards konnte sie sich nicht einigen. Grundlage der Beratung bildete sein Buch Der Rundfunkhörer und sein Programm, eine Auswertung von Hörer-Umfragen. Ausschlaggebend waren am Ende sein symbolisches Kapital als Widerstandskämpfer und demokratischer Politiker sowie seine Erfahrung als Journalist. Die fehlende wissenschaftliche Erfahrung nahm das konservative Lager zum Anlass, um Stimmung gegen seine Besetzung zu machen. Im Vordergrund stand dabei aber seine politische Integrität. Die Vertriebenenverbände unterstellten ihm Landesverrat und Anfälligkeit für „gefährliche Ost-Spiele“.
Der Name Fritz Eberhard steht für die institutionelle Leistung, die Publizistikwissenschaft durch die Krise der 60er Jahre geführt zu haben. Nicht nur das Westberliner Institut, auch die wenigen anderen Standorte im Bundesgebiet waren schlecht ausgestattet. Das Ansehen des Fachs war gering, auch wegen der NS-Belastung. Der Wissenschaftsrat hatte 1960 angeregt, es nur noch als „Sondergebiet“ in Berlin und München zu erhalten. Mit der Emeritierung von Dovifat stand die Zukunft des Lehrstuhls auf dem Spiel. Wissenschaftlicher Nachwuchs fehlte. Zwei Habilitationsversuche unter Dovifat scheiterten: Friedrich Medebach und Günter Kieslich. Erst in der Ära Eberhard gelang mit Kurt Koszyk 1968 eine solche Qualifikation, die erste im Fach überhaupt nach 1945. Koszyk, Lehrbeauftragter am Institut, habilitierte zur „Deutschen Pressepolitik im Ersten Weltkrieg“. Der Rückgriff auf Praktiker Anfang der 1960er verdeutlicht die Situation. In München löste 1963 der Journalist Otto B. Roegele den Theaterkritiker Hanns Braun ab, in Münster holte man 1960 Henk Prakke, einen niederländischen Verleger und Soziologen, der Lehrstuhl in Mainz wurde später mit der Journalistin und Demoskopin Elisabeth Noelle-Neumann besetzt. Dass auch an der FU eine Praktiker-Lösung gefunden wurde, überrascht deshalb nicht. Eine der ersten Aufgaben des neuen Institutsleiters Eberhard bestand darin, Geld zu besorgen, um Toiletten in Büros zu verwandeln. 1967 hatten sich die Akademische Rätin Elisabeth Löckenhoff, fünf (Hilfs-)Assistenten und ein wissenschaftlicher Tutor drei „Büros wie Besenkammern“ zu teilen. Der Arbeitsraum bot bei über 500 Studierenden lediglich 24 Plätze.
In Berlin folgte wie in Münster, München oder Mainz auf den Umbruch auf Professorenebene die inhaltliche Umgestaltung des Fachs: die empirisch-sozialwissenschaftliche Wende und Abkehr von Emil Dovifats Wissenschaftsverständnis. Umgestaltet wurde vor allem die Lehre. Für Forschung blieb bei wachsenden Studierendenzahlen und Unterfinanzierung kaum Zeit. Ohne die Arbeit im Team wäre der Institutsbetrieb nicht aufrechtzuerhalten gewesen. Deshalb setzte der Verwaltungsexperte Eberhard auf Austausch und regelmäßige Besprechungsrunden. Er konnte sich auf ein Team verlassen, das zur Selbstausbeutung bereit war. Einen großen Teil der Arbeit übernahm Elisabeth Löckenhoff, die ab 1962 auf einer Dauerstelle als Akademische Rätin arbeiten konnte.
Neuausrichtung der Lehre
Der Student Dietrich Berwanger hat sich erinnert, dass der Institutsleiter „kistenweise Bücher aus dem fernen Amerika“ bestellen ließ und Referate zu „Mass Communication Research“ verteilte. Zum ersten Mal habe man von Lasswell, Katz, Lazarsfeld und Schramm gehört. Eberhard selbst hatte nur wenig Vorsprung. Lehraufträge wurden zu einer wichtigen Säule im Lehrangebot. Mehrere Jahre reiste Elisabeth Noelle-Neumann für Veranstaltungen zu Umfrageforschung an. Auch Gerhard Maletzke, Kurt Koszyk und Harry Pross erweiterten die Themenpalette. Methodenseminare blieben bis zum Ende der Ära Eberhard im Angebot. Forschung fand vor allem in studentischen Arbeiten statt. Eberhard half, Promotionsstipendien zu organisieren und richtete die Schriftenreihe Abhandlungen und Materialien zur Publizistik ein.
Infrastruktur für Lehre und Forschung
In der Phase Eberhard professionalisierten sich Bibliothek und Archiv. Studierende trugen zur institutionellen Basisarbeit bei. Jörg Aufermann, Gernot Wersig und Ulrich Neveling entwickelten den Publizistikwissenschaftlichen Referatedienst (prd), um die wachsende Fachliteratur zu erschließen. Ein Anstoß des Dokumentationswissenschaftlers Hans-Werner Schober, dessen Fachgebiet 1977 über eine Professur institutionalisiert und mit Gernot Wersig besetzt wurde. Der prd war jahrzehntelang Fachdokumentationsstelle. Der von Berliner Studierenden erstellte Studienführer des Fachverbands Publizistik- und Zeitungswissenschaft im Verband Deutscher Studentenschaften (VDS) machte auf die unbefriedigende Studiensituation aufmerksam.