Dr. Jannis Julien Grimm
Dissertation: "Contesting Legitimacy: Protest and the Politics of Signification in Post-Revolutionary Egypt"
Dr. Jannis Julien Grimm leitet seit Oktober 2021 die Nachwuchsgruppe "Radikale Räume / Radical Spaces" am Berliner Zentrum für interdisziplinäre Friedens- und Konfliktforschung. Nach seiner Promotion in Politikwissenschaft an der Berlin Graduate School Muslim Cultures der Freien Universität Berlin zum Zusammenhang von politischer Gewalt und staatliche Repression in Ägypten koordinierte er bis April 2021 die Regionalprogramme der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Unterstützung von Gewerkschaften und zur Entwicklung einer sozial-gerechten Wirtschaftspolitik in der MENA-Region sowie das FES-Länderprojekt zu Libyen. Zwischen 2016 und 2020 war Jannis Grimm zudem Co-Direktor des "SAFEResearch"-Projekts am GLD Center der Uni Göteborg, wo er die Arbeitsgruppe des Projekts zu Datensicherheit und digitaler Sicherheit leitete. Während seiner Promotionszeit besuchte Jannis Grimm unter anderem das COSMOS Center of Social Movement Studies an der Scuola Normale Superiore Florenz sowie das Orient Institut Istanbul als Gastwissenschaftler. Zuvor forschte er an der Stiftung Wissenschaft und Politik sowie am Mittelmeerinstitut der Humboldt-Universität Berlin zu Prozessen des Regimewandels in der arabischen Welt.
Jannis Grimm ist Vorstandsmitglied und assoziierter Wissenschaftler des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung (ipb) in Berlin, wo er als Mitherausgeber der ipb working paper series fungiert. Darüber hinaus ist er Mitglied des Redaktionsteams des Forschungsjournals Soziale Bewegungen. Seint Handbuch für sichere und ethische Feldforschung in Konfliktgebieten "Safer Field Research in the Social Sciences" erschien 2020 bei SAGE. Seine 2020 mit dem Dissertationspreis der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient und 2021 mit dem Wissenschaftspreis der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft ausgezeichnete Dissertation erscheint Anfang 2022 in der "Protest and Social Movements"-Reihe bei Amsterdam University Press unter dem Titel "Contested Legitimacies: Repression and Revolt in Post-Revolutionary Egypt".
Dissertation: Contesting Legitimacy: Protest and the Politics of Signification in Post-Revolutionary Egypt
ABSTRACT
Diese Dissertation befasst sich aus hegemonie-theoretischer Perspektive mit poli-tischen Mobilisierungsprozessen im Kontext der autoritären Regression in Ägypten. Ihr Schwerpunkt liegt auf den seit dem Militärputsch 2013 mehrfach wechselnden politischen Allianzen und ihren umkämpften Auffassungen von politi-scher Legitimität. Die Arbeit fußt auf der Prämisse, dass Prozesse politischer Mobilisierung, sowohl seitens sozialer Bewegungen als auch staatlicher Akteure, nicht durch uni¬direktionale Kausalzusammenhänge erklärbar sind, sondern von den Mikrodynamiken sozialer Interaktion zwischen politischen Wettstreitern abhängen. Diese Interaktion findet einerseits auf einer performativen Ebene statt, etwa zwischen Polizisten und Demonstrierenden bei Straßenprotesten. Parallel dazu zeichnen sich politische Konflikte aber auch auf einer diskursiven Ebene ab, wo politische Rivalen um die Deutungshoheit über eben jene Protestereignisse ringen. Ausgehend von einer hegemonietheoretischen Betrachtung dieses diskursiven Wettstreits zeigt die vorliegende Arbeit, wie sich beide Ebenen gegenseitig bedingen. Im Kern wird dabei argumentiert, dass Entwicklungsverlauf und Er-folgsaussichten sozialer Mobilisierung in Ägypten seit der militärischen Machtübernahme sowie die Gelegenheiten für die Allianzbildung verschiedener wider-ständigen Akteure gleichermaßen von der faktischen Beschaffenheit und der diskursiven Darstellung von Protest- und Repressionsereignissen abhingen. Die Analyse mehrerer Protest- und Repressionswellen in Ägypten zwischen 2013 und 2016 stützt sich auf ein integriertes Forschungsdesign, welches quantitative Messverfahren zur Erfassung von Protestereignissen mithilfe von Eventdatenbanken mit einer qualitativen Diskursanalyse zu jenen Ereignissen kombiniert. Die resultierende Mehrebenen-Analyse der Protest-Repressionsdynamiken in Ägypten – von den Tamarod-Protesten 2013, über die Anti-Coup-Kampagne gegen den Militärputsch, bis zu den Demonstrationen gegen die Aufgabe der zwei Inseln Tiran und Sanafir im Roten Meer im Jahr 2016 – belegt den Einfluss von Veränderun-gen in der diskursiven Architektur auf die Gelegenheitsstrukturen sozialer Bewegungen und politischer Regime und auf deren Bereitschaft, sich auf Protest- und Repressionskampagnen einzulassen. Nicht zuletzt verfolgt diese Analyse somit das Ziel, zu zeigen, dass die Art und Weise, wie über politischen Protest, Repression oder Gewalt gesprochen wird, letztlich ausschlaggebend dafür ist, mit welchen Mitteln soziale Bewegungen Regime herausfordern, wie selbige darauf reagieren und inwiefern beide Seiten hierfür potenzielle Unterstützer mobilisieren können.
For a list of publications see: https://fu-berlin.academia.edu/JGrimm
Recent books:
- Grimm (2022) Contested Legitimacies: Repression and Revolt in Post-Revolutionary Egypt. Amsterdam, NL: Amsterdam University Press. Available open access via: https://www.aup.nl/en/book/9789048553457/contested-legitimacies.
- Grimm et al. (2020) Safer Field Research in the Social Sciences: A Guide to Human and Digital Security in Hostile Environments. London, UK: SAGE